Extrusion 1-2025
I n den vergangenen Jahrzehn- ten wurden zahlreiche Modelle entwickelt, um den Aufschmelz- prozess modelltheoretisch zu be- schreiben. Zur Validierung dieser Modelle existieren in der Fachlite- ratur verschiedene experimentelle Methoden, die eine Untersuchung des Aufschmelzprozesses ermög- lichen. Dazu zählen neben den hier dargestellten Untersuchun- gen zum Beispiel Ultraschallmes- sungen, welche in [1] beschrieben werden oder Boroskopieuntersuchungen, welche in [2] ge- nutzt wurden. Der Fokus dieser Studie liegt auf dem Ver- gleich von zwei weiteren Methoden, welche mit geringerem messtechnischem Aufwand umsetzbar sind. Zum einen handelt es sich dabei um die bereits 1959 von MADDOCK beschriebenen Schneckenzugversuche [3]. Zum anderen um sogenannte dynamische Druckmessun- gen, welche das charakteristische Drucksignal über der Aufschmelzzone zur Bestimmung der Feststoffbettbreite nutzen [4,5]. Im Gegensatz zu Schneckenzugversuchen er- lauben die dynamischen Druckmessungen eine kontinu- ierliche Beobachtung des Aufschmelzverlaufes im Prozess und ermöglichen weiterhin einen deutlich geringeren Un- tersuchungsaufwand. Ziel dieser Studie ist es, die gemes- senen Feststoffbettbreiten aus Schneckenzugversuchen mit denen aus dynamischen Druckmessungen zu verglei- chen und die Eignung der dynamischen Druckmessungen als Messmethode zu überprüfen. Dead-Stop-Methode Eine häufig verwendete Methode zur Untersuchung des Aufschmelzprozesses sind Schneckenzugversuche, die auch unter dem Begriff Dead-Stop-Methode bekannt sind. Bei dieser Methode wird der Extruder abrupt aus dem sta- tionären Betrieb heraus gestoppt, anschließend abgekühlt, die Schnecke entnommen und der erstarrte Kunststoff von der Schnecke abgewickelt. Danach werden Querschnitts- proben senkrecht zu den Stegen angefertigt, um den Auf- schmelzprozess detailliert zu analysieren. Zur besseren Unterscheidung zwischen Feststoff und Schmelze wird dem Kunststoff ein Anteil von drei bis fünf Masseprozent eingefärbtem Granulat zugesetzt [1]. Bild 1 zeigt beispiel- hafte Querschnittsproben entlang des Kanals aus einem Schneckenzugversuch. Alternativ zum eingefärbten Granulat ist auch die direkte Extrusion 1/2025 Beimischung eines geringeren Masseanteils Ruß möglich, wie in Bild 2 gezeigt. Es zeigt sich, dass auch mit dieser Methode eine klare Unterscheidung zwischen Feststoffbett und Schmelzewir- bel möglich ist. Allerdings führt die Beimischung von Ruß aufgrund seiner schmierenden Wirkung zu einer signifi- kanten Reduktion des Durchsatzes. Daher kann der auf diese Weise beobachtete Aufschmelzprozess nicht ohne Weiteres auf den Aufschmelzprozess des reinen Granulats übertragen werden. In allen Querschnittsproben ist ein charakteristischer Aufschmelzprozess erkennbar, welcher in der Literatur be- reits umfassend beschrieben wurde [3,7]. Die Schmelze sammelt sich an der aktiven Flanke im sogenannten Schmelzewirbel, während der noch nicht aufgeschmolzene Feststoff an der passiven Flanke im sogenannten Fest- stoffbett vorliegt. Über dem Feststoffbett liegt ein dünner Schmelzefilm, der durch die Relativbewegung zwischen Zy- linder und Feststoffbett stark geschert wird. Der resultie- rende Energieeintrag durch Dissipation bewirkt, dass das Feststoffbett kontinuierlich in Richtung des Schmelzefilms abschmilzt. Die neu gebildete Schmelze wird zur aktiven Flanke hin in den Schmelzewirbel geschleppt, wodurch der Schmelzefilm in seiner Dicke nahezu konstant bleibt. Die im Schmelzewirbel angesammelte Schmelze drückt das Feststoffbett an die passive Flanke, wodurch es innerhalb der Aufschmelzzone vor allem in seiner Breite reduziert wird. Dynamische Druckmessungen Da das Feststoffbett in der Auf- schmelzzone vorwiegend in seiner Breite abnimmt, können alternative Methoden zur Bestimmung des Auf- schmelzverlaufs angewendet werden. Diese Ansätze beruhen auf der Erfas- sung der Feststoffbettbreite. Unter der Annahme, dass die Feststoffbett- höhe der Kanaltiefe entspricht, kann auch der Aufschmelzverlauf abgelei- Bild 3: Schematische Darstellung des Prinzips zur Bestimmung der Feststoffbettbreite anhand von dynamischen Druckmessungen (a) Kanalquerschnitt (b) Abgewickelter Kanal mit Messweg des Drucksensors Bild 2: Querschnittsproben aus einer Dead-Stop-Untersuchung mit HDPE unter Zugabe von 0,02 Masseprozent Ruß. (a) Beginn der Aufschmelzzone (b) Mitte der Aufschmelzzone (c) Ende der Aufschmelzzone 29 (a) (a) (b) (c) (b) Drucksensor Zylinder Schmelzefilm Schmelze Feststoffbett Feststoffbett Schmelze Schnecke Messweg Drucksensor Aktive Flanke Passive Flanke x x y z z
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