Extrusion 2-2023

39 Extrusion 2/2023 Um Gegenstände aus Kunststoff besser zu erhalten, sei zunächst eine gemeinsame Sprache der beteiligten Fachleute aus ver- schiedenen Disziplinen erforderlich. „Die Restaurierung und Konservierung beginnt mit der Dokumentation und der Erfas- sung des kulturellen Kontextes. Mit Blick auf die Erhaltung liegt dabei ein Fokus auf Fehlern oder Schäden. Auf dieser Basis wird über das Objekt kommuniziert und eine Erhaltungsstrategie ent- wickelt“, erklärt Waentig. Aktuell würden Bewertungskriterien, Fachbegriffe und Schadensbeschreibungen aber eher inkonsis- tent angewendet werden. Ein Beispiel dafür sei der Begriff „Aus- schwitzen“: Mit diesem beschreiben Materialwissenschaft- ler*innen eine sichtbare Absonderung auf der Oberfläche. Re- staurator*innen dagegen meinen damit eine Wanderung flüssi- ger Bestandteile aus dem Inneren des Materials an die Oberfläche. Lesehilfe, Kaffeemühle und Spielzeug aus Kunststoff untersucht Das interdisziplinäre Forschungsteam hat einzelne Objekte wie eine Lesehilfe, eine Kaffeemühle oder Spielzeug aus der etwa 20.000 Objekte umfassenden Sammlung des Deutschen Kunst- stoffmuseums untersucht. „Wir haben zunächst Formgestal- tung, Herstellungstechnik, Materialität und Funktion dieser exemplarischen Gegenstände aus der jeweiligen Perspektive der drei Disziplinen beschrieben und die Ergebnisse anschließend zu- sammengeführt“, sagt Waentig. Diese Betrachtung habe das gegenseitige Verständnis gestärkt und für Feinheiten sensibilisiert: „Es gibt zum Beispiel Verände- rungen an Gegenständen, die auf den ersten Blick als Schaden wahrgenommen werden könnten, aber eigentlich durch die Her- stellungstechnik entstanden sind und daher gar nicht unbedingt restauriert werden müssen.“ In einem weiteren Schritt wurde aus den Ergebnissen der ge- meinsamen Betrachtung eine deutsch- und englischsprachige Terminologie mit mehr als 100 Bewertungskriterien, Fachbegrif- fen und Schadensbeschreibungen abgeleitet. Darin wird die Be- deutung der Vokabeln aus Sicht der verschiedenen Disziplinen erläutert, mit Bildern illustriert und es werden Vorschläge für ein gemeinsames Verständnis formuliert. Zu der im Projekt entstan- denen Terminologie soll in weiteren Projektarbeiten eine prakti- sche Handreichung – etwa in Form einer Open-Access- Publikation und eines analogen Fächers, der im Depot von Kunstmuseen genutzt werden kann – erarbeitet werden. Das Vorhaben Das Projekt „Kunststoff – ein moderner Werkstoff im kultur- historischen Kontext“ (KuWerKo) wurde an der TH Köln von Prof. Dr. Friederike Waentig vom Cologne Institute for Conser- vation Sciences geleitet. Projektpartner waren das Institut für Kunststofftechnik der Universität Stuttgart und das LVR-Indus- triemuseum des Landschaftsverbandes Rheinland. Beteiligt waren zudem das Design Museum Gent, das Getty Conservation Institute und das Institut für Translation und Mehrsprachige Kommunikation der TH Köln. Das Vorhaben wurde über einen Zeitraum von vier Jahren mit mehr als 900.000 Euro vom Bun- desministerium für Bildung und Forschung gefördert. Die TH Köln zählt zu den innovativsten Hochschulen für Ange- wandte Wissenschaften. Sie bietet Studierenden sowie Wissen- schaftler*innen aus dem In- und Ausland ein inspirierendes Lern-, Arbeits- und Forschungsumfeld in den Sozial-, Kultur-, Ge- sellschafts-, Ingenieur- und Naturwissenschaften. Zurzeit sind rund 25.000 Studierende in etwa 100 Bachelor- und Masterstu- diengängen eingeschrieben. Die TH Köln gestaltet Soziale Inno- vation – mit diesem Anspruch begegnen man den Heraus- forderungen der Gesellschaft. Farblich sortierte Neuzugänge der Sammlung des Deutschen Kunststoffmuseums Kaffeemühle aus den 1920er Jahren, abgebildet mit einer Farbmusterkette aus dem gleichen Material, nämlich Phenoplast ➠ Technische Hochschule Köln Claudiusstr. 1, 50678 Köln, Deutschland www.th-koeln.de

RkJQdWJsaXNoZXIy ODIwMTI=