Extrusion 4-2023

46 kompakt Extrusion 4/2023 ➠ Fraunhofer-Institut für Betriebsfestig- keit und Systemzuverlässigkeit LBF www.lbf.fraunhofer.de/online-rheologie grund von Ressourcenschonung und Wirtschaftlichkeit die optimal hinzuzufü- gende Menge an Verarbeitungsstabilisa- toren gezielt ermittelt werden. Ebenso bei Altkunststoffen in Wertstoffströmen, die zur Herstellung von Rezyklaten eingesetzt werden. Hier sind die Stabilisatoren in un- terschiedlichem Maß verbraucht. Für die Compoundierung des Mahlguts zu Rezy- klaten und deren Weiterverarbeitung kommt es darauf an, die Stabilisatoren in Anteilen genau passend zu den Kunst- stofftypen und deren Alterungszustand hinzu zudosieren. Bisher werden Com- pounds mit unterschiedlichen Anteilen der Antioxidantien in Form von Konzen- trationsreihen hergestellt. Diese werden dann mittels verschiedener Tests, wie bei- spielsweise Messung der Volumenfließ- rate (MVR, DIN 1133-1), offline charak- terisiert. Belastbare Ergebnisse erhält man somit erst nach dem Compoundierschritt. Forschende am Fraunhofer LBF verfolgen aktuell den Ansatz, bereits während der Compoundierung online die Schmelze zu charakterisieren, um sofort Aussagen über die Wirksamkeit der aktuellen Stabi- lisatorzugabe zu gewinnen. Hierzu wer- den mit einem Online-Rheometer, welches hinter den Schneckenspitzen an einen Doppelschneckenextruder ange- flanscht ist, die Fließkurven sowohl der Scher- als auch der Dehnviskosität ge- messen. Erste Untersuchungen wurden an einem wenig stabilisierten Neuware Polypropylen (PP) durchgeführt. Dabei Kunststoffe als organische Substanzen degradieren in Gegenwart von Sauer- stoff. Diese Autooxidationsprozesse fin- den zum Beispiel während der Schmelze- Verarbeitung statt. Durch das Einbringen von Antioxidantien lassen sich die Oxida- tionsvorgänge zielgerichtet verlangsa- men. Erst dies ermöglicht die Herstellung von Gebrauchsgegenständen durch den Spritzgussprozess. Bei einer Formulierungsentwicklung muss der optimale Anteil an Antioxidantien bis- her in langwierigen Versuchsreihen er- mittelt werden. Forschende am Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF sehen in online-rheologischen Untersuchungen eine vielversprechende Methode, den Entwicklungsprozess zu beschleunigen. Organische Verbindungen, wie Kunst- stoffe, unterliegen der Autooxidation. Dabei handelt es sich um eine radikali- sche Kettenreaktion mit dem Luftsauer- stoff, die durch Wärme oder Licht initiiert wird und zur langsamen Oxidation der Verbindungen führt. Eines der reaktivsten Spezies in den Kettenreaktionen ist das OH-Radikal. Dieses und ähnlich reaktive Radikale werden durch primäre Antioxi- dantien abgefangen. Der Angriff des OH- Radikals auf organische Substanzen führt zusammen mit dem O 2 -Molekül zur Bil- dung von sogenannten Hydroperoxiden. Aus letzteren werden in Nachfolgereak- tion OH-Radikale neu gebildet. Sekun- däre Antioxidantien deaktivieren Hydroperoxide so, dass keine Neubildung von OH stattfindet. Zur bestmöglichen Stabilisierung sind somit zwei Typen von Antioxidantien erforderlich. Sie wirken synergistisch. Das primäre Antioxidans enthält häufig phenolische Strukturen, während es sich bei dem sekundären zum Beispiel um ein organisches Phosphit han- delt. In dem für aktuelle Untersuchungen am Fraunhofer LBF ausgewählten markt- verfügbaren Verarbeitungsstabilisator sind die beiden Antioxidantien zu glei- chen Anteilen enthalten. Handelsübliche Neuware-Kunststofftypen sind ab Werk mit entsprechenden Stabili- satorpaketen gebrauchsfertig ausgerüs- tet. Bei der Entwicklung neuer Kunst- stoffcompounds muss vor dem Hinter- Neues Verfahren für schnelle Verarbeitungsstabilisierung von Kunststoffen entwickelt wurde für ausgewählte Drehzahlen die Menge an zudosiertem Stabilisator vari- iert. Der verringerte prozessbedingte Abbau spiegelt sich sofort in einem An- stieg der Viskosität in den Fließkurven wider. Ab einem bestimmten Additivan- teil kommt es zu keiner weiteren Viskosi- tätszunahme. Damit ist für die vorliegen- den Prozessbedingungen die Grenzkon- zentration des Stabilisators erreicht, ober- halb derer sich keine weitere Verbesse- rung erzielen lässt. Mittels Online-Rheologie erhalten Com- poundeure also unmittelbar Informatio- nen zur Auswirkung eines Prozess- Stabilisators. Hinzu kommt, dass sich die Fließkurven zwischen den einzelnen Kunststoffen unterscheiden, sie beinhal- ten somit einen wesentlich höheren In- formationsgehalt als der einzelne nume- rische Wert einer MVR-Messung. Zusätz- lich können die Fließkurven der Dehnvis- kosität mit in die Auswertung einbezogen werden. Mittels eines entsprechenden KI- gestützten Systems bietet die Online- Rheologie das Potenzial für eine chargenangepasste Nachstabilisierung in Echtzeit bei der Rezyklatgewinnung. Schema des Versuchsaufbaus mit Doppelschneckenextruder und Online-Rheometer (Grafik: Fraunhofer LBF) Kunststoff Antioxidantien Online-Rheometer mit Schlitzdüse im Bypass Zahnradpumpe Doppelschneckenextruder Schmelzestrang

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