Extrusion 5-2020

Bild 4: Resultierende Wanddickenverteilungen bei Verwendung eines Stempels mit 12° Wandschräge und 6 mm Kantenradius bei verschiedenen Folientemperaturen (PS) veränderten Verstreckbedingungen und damit Verstreckwider- ständen. Die Erkenntnisse aus [HB18, HB19] können somit auch bei verschiedenen Folientemperaturen bestätigt werden. Weiterhin ist zu erkennen, dass der Einfluss der Folientempera- tur abhängig vom verwendeten Stempel ist. Bei der Verwen- dung des Stempels mit 4° Wandschräge wird der Boden bei ei- ner hohen Folientemperatur von 130 °C signifikant dicker (0,49 mm, MP 1) im Vergleich zur Folientemperatur von 110 °C (0,29 mm, MP 1). Wird ein Stempel mit einer Wandschräge von 12° bei einer hohen Folientemperatur verwendet, so wird auch in diesem Fall der Boden weniger verstreckt und ist nach dem Umformen ebenfalls dicker. Der Unterschied in der lokalen Wanddicke hingegen ist stark unterschiedlich. Die Dicke des Bo- dens erhöht sich von circa 0,3 mm bei 110 °C Folientemperatur auf circa 0,38 mm bei 130 °C bei einer Stempelwandschräge von 12°. Dies entspricht einer Differenz von nur 0,08 mm wäh- rend die Änderung der Folientemperatur beim Einsatz des 4°- Stempels eine Differenz von fast 0,2 mm erzeugt. Die resultierenden Wanddickenverläufe und verschiedenen Ausprägungen der Effekte durch Änderung der Folientempera- tur können hauptsächlich wie in [HB19, HB20] auf zwei Phäno- mene zurückgeführt werden. Zum einen durch die unterschied- lichen Verstreckwiderstände aufgrund unterschiedlicher frei verstreckbarer Folienbereiche und zum anderen aufgrund un- terschiedlicher Haftung der Folien am Stempelmaterial bei ver- schiedenen Folientemperaturen. Durch die Erhöhung der Fo- lientemperatur sind zusätzlich die nicht am Stempel anhaften- den, frei verstreckbaren Folienbereiche einfacher zu verformen. Da die Verstreckwiderstände geringer sind und folglich weniger Kraft zur Umformung benötigt wird, wird dadurch wiederum eine geringere Spannung in der Folie während der Umformung erzeugt. Daraus resultiert, dass die Verstreckung im freiver- streckbaren Bereich höher ist und gleichzeitig weniger Material um den Kantenradius des Stempels gezogen wird. Die Verstre- ckung findet also mehr im freiverstreckbaren Bereich statt, da dafür insgesamt weniger Umformenergie nötig ist. Der Effekt, dass mehr Material im Bodenbereich verbleibt, ver- stärkt sich, je mehr Kraft zum Abziehen der Folie vom Stempel- boden um den Stempelkantenradius erforderlich ist. Je kleiner der Radius, desto mehr Kraft benötigt auch die Umlenkung bzw. das Abziehen der Folie. Umgekehrt führt ein Absenken der Folientemperatur zu größeren Verstreckwiderständen der Folie, wodurch höhere Umformkräfte benötigt werden. Durch die höheren Verstreckwiderstände, treten höhere Kräfte bzw. Spannungen in der Folie auf, sodass mehr Material aus der Kontaktzone am Stempelboden herausgezogen werden kann. Es erfolgt eine höhere Verstreckung der Bereiche, die am Stem- pel anliegen und der Stempelboden weist anschließend eine geringere Wanddicke im Vergleich zu höheren Folientempera- turen auf. Neben den Erläuterungen der resultierenden Wanddickenver- teilungen mittels unterschiedlicher Verstreckwiderständen kön- nen die Wanddickenverteilungen weiterhin aufgrund unter- schiedlicher Adhäsion der Folie am Stempel erklärt werden. Hö- here Folientemperaturen führen zu einem verstärkten Anhaften der Folie am Stempel. Verschiedene Quellen zeigen, dass die Reibkoeffizienten zwischen Folie und Stempelmaterial mit stei- gender Temperatur der Folie stark ansteigen, während weiter- hin die Verstreckwiderstände bei höheren Folientemperaturen sinken [Bei10, Heg04, MMH06, Pop10]. Dadurch wird zusätz- lich das Abziehen der Folie um den Kantenradius erschwert, weil höhere Haftreibungskräfte bzw. höhere Kräfte bis zum Er- reichen des Abgleitens der Folie vom Stempel überwunden werden müssen. Eine Erhöhung der Folientemperatur begüns- tigt somit aufgrund von geringeren Verstreckwiderständen und zusätzlich erhöhter Haftung der Folie am Stempel die Ausprä- gung dickerer Bodenbereich der Becherformteile. Die gesamten Einflüsse der Folientemperatur auf die Wanddickenverteilung bei Einsatz verschiedener Vorstreckstempel können somit ana- log zu den Ergebnissen in [HB18, HB19, HB20] mit unterschied- lichen Verstreckwiderständen durch unterschiedliche Folien- temperaturen, Verhältnisse von frei und haftenden Folienberei- chen sowie Adhäsion zwischen Stempel und Folie erläutert werden. Allerdings ist dabei anzumerken, dass die resultieren- den Wanddickenverteilungen sowie Ausprägungen der Effekte durch Änderung der Prozess- sowie Stempelparameter weiter- hin stark vom verwendeten Folienmaterial abhängen [HB20]. Fazit und Ausblick Durch die Untersuchungen des Einflusses verschiedener Folien- temperaturen bei Verwendung eines Vorstreckstempels kann gezeigt werden, dass die resultierenden Wanddickenverteilun- gen zwar beeinflusst werden, sich in ihrem Verlauf jedoch nicht stark unterscheidet. Um grundlegend andere Verteilungen zu erzeugen, muss somit die Stempelgeometrie geändert werden. Bei der Änderung der Stempelgeometrie ist festzustellen, dass die Folientemperatur unterschiedlich ausgeprägte Einflüsse auf die Wanddickenverteilung aufweist. So unterschieden sich die resultierenden Wanddickenverteilungen bei Einsatz des 4°- Stempels bei verschiedenen Temperaturen stärker, als dies bei 12°-Stempeln der Fall ist. Die unterschiedlichen Wanddickenverteilungen sind sowohl durch die Verstreckwiderständer der Folie bei verschiedenen Temperaturen, den benötigten Umlenkkräften der Folie um den Kantenradius sowie durch die Haftung der Folie am Stempel zu erklären. Je stärker das Material um den Kantenradius des 37 Extrusion 5/2020

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