Extrusion 6-2019

„Kunststoffmüll ist ein gesamtgesellschaftliches Problem“ Warum ist Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe wichtig? Ulrich Reifenhäuser : Das Thema Kunst- stoffabfall hat an Wichtigkeit zugenom- men, weil es immer mehr Müll gibt. Das liegt an der steigenden Weltbevölkerung ebenso wie an dem zunehmenden Wohl- stand in vielen Schwellenländern. Vor al- lem im asiatischen Raum wachsen die Müllberge. Auch in Europa haben wir da Probleme. In Skandinavien, den Nieder- landen, Deutschland, Österreich und der Schweiz ist die Verwertungsquote zwar hervorragend. In den mediterranen Län- dern ist sie dagegen eher schlecht. Die Kunststoffwelt muss sich deshalb verän- dern. Die Überlegungen dazu sind im Gange, aber in der Abfallwelt ist dies noch nicht spürbar. Woran liegt das? Reifenhäuser : Das ist ein sehr komple- xes und vielschichtiges Problem. Es ist schon paradox. Kunststoff ist ein ideales Material für viele Anwendungen. Er ist leicht, einfach zu verarbeiten, relativ günstig und in ausreichenden Mengen 50 Kreislaufwirtschaft – Interview Extrusion 6/2019 verfügbar. Wegen dieser Vorteile nimmt seine Bedeutung im Wettbewerb mit an- deren Materialien stetig zu. Das ist gut. Auf der anderen Seite wird Kunststoff nach der Verwendung meist nicht richtig behandelt. Er wird nicht gesammelt, son- dern weggeschmissen. Das ist schlecht, und das ist das eigentliche, große Pro- blem. Wie ändert man das Verhalten von ganzen Nationen von Verbrauchern? Reifenhäuser : Indem man aufklärt und indem man an die Verantwortung der Verbraucher appelliert. Das geht außer- dem über Gesetze. Ganz wichtig ist es, dass man dem Kunststoffabfall einen Wert beimisst. Das muss politisch organi- siert werden. Der beste Ansatz hier sind Recycling-Quoten für neue Kunststoff- produkte. Wenn es Quoten gibt, brau- chen die Kunststoffverarbeiter auf einmal Recyclingmaterial. Da wird sich ein Markt auftun. Es kann dann durchaus sein, dass gutes Recyclingmaterial doppelt so viel kostet wie Neuware. Die Verdoppelung im Preis macht dem Kunststoffprodukt Die Menge der Kunststoffabfälle weltweit wächst stetig. Wenn wir mit Ressourcen nachhaltig um- gehen wollen, müssen wir dem Abfall einen Wert geben und ihn verwerten und nicht deponieren, wie in vielen Ländern der Welt noch üblich. Es braucht einen umfassenden Bewusstseinswandel in den Gesellschaften, ist Ulrich Reifenhäuser über- zeugt. Hier ist die Aufklärung der Endverbraucher ebenso wichtig wie der politische Rahmen. Der Maschinenbau unterstützt mit ressourceneffizien- ter Produktion und Recyclingtechnologien, aber auch den Brand-Ownern kommt eine Schlüssel- stellung zu, wenn es darum geht, die Akzeptanz für Produkte aus Rezyklat zu fördern. nichts aus, denn es ist in seinen Eigen- schaften anderen Materialien wie Glas, Metall oder Papier weit überlegen. Aber die Endverbraucher schauen doch auf jeden Cent. Reifenhäuser : Das ist richtig, aber das hört auf, wenn wir einen Gesetzgeber haben, der vorschreibt, dass alle Kunst- stoffprodukte 30 Prozent Recyclingmate- rial brauchen. Dann sind die Vorausset- zungen für alle gleich. Es braucht dann vielleicht drei Jahre bis man bei uns in Europa und auch in Deutschland auf ein- mal eine ganz andere Recyclingindustrie hat. Es geht also nicht ohne politische Vorgaben? Reifenhäuser : Die Politik ist nötig, weil wir es beim Kunststoffabfall mit einem gesamtgesellschaftlichen Problem zu tun haben. Eine Gruppe allein kann da nicht viel ausrichten. Es geht um ein Bewusst- sein, den Dreck nicht einfach wegzu- schmeißen. Interview mit Ulrich Reifenhäuser, CSO der Reifenhäuser Gruppe

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