Extrusion 6-2024

André Gomoll. “Außerdem lässt sich unser Material kos- tengünstig aus kommerziellen Rohstoffen in einem einfa- chen Syntheseprozess herstellen. Dieser verlangt keine großvolumigen Syntheseanlagen, sondern kann lokal auch durch mittelständische Unternehmen als kontinuierlich be- triebener Prozess implementiert werden. Bisher konnte PLA nur in kontinuierlichen Großanlagen rentabel herge- stellt werden, was kleinere Unternehmen als Hersteller ausgeschlossen hat. Schließlich ist das neuartige PLA-Ma- terial auch auf gängigen Verarbeitungsanlagen ähnlich wie LDPE zu Folien verarbeitbar und kann chemisch mit er- heblich geringerem Energieaufwand als LDPE recycelt wer- den”, so Gomoll weiter. Diese bisher einzigartigen Materialeigenschaften be- wegte die Firma Polymer-Gruppe zur Kommerzialisierung. Im Jahr 2023 wurde eine Produktionsanlage für die neuen PLA-Blockcopolymere von der SoBiCo GmbH, einer Toch- tergesellschaft der Polymer-Gruppe, in Pferdsfeld in Be- trieb genommen. Sie produziert pro Jahr 2000 Tonnen der neuartigen Biokunststoffe mit dem Namen Plactid ® . Lang- fristig sollen dort 10.000 Tonnen des neuartigen flexiblen PLA-Materials pro Jahr hergestellt werden. Die neuartige Klasse von Biokunststoffen wird in Zukunft einen wichtigen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit von Kunst- stoffverpackungsmaterialien leisten. Neben flexiblen Ver- packungsfolien können auch völlig neue Anwen- dungsfelder erschlossen werden, zum Beispiel im Auto- mobilbereich, in der Textilindustrie und in der Additiven Fertigung. Joseph-von-Fraunhofer-Preis Seit 1978 verleiht die Fraunhofer-Gesellschaft jährlich Preise für herausragende wissenschaftliche Leistungen ihrer Mitarbeitenden, die anwendungsnahe Probleme lösen. In diesem Jahr werden drei Preise mit jeweils 50.000 Euro an Gruppen mit Forschenden aus un- terschiedlichen Instituten verge- ben. Von Links: Das Forschungs- team im Labor: Dr. Antje Lieske, Dr. Benjamín Rodríguez und André Gomoll vom Fraunhofer IAP (© Fraunhofer, Foto: Piotr Banczerowski) ► Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP Potsdam Science Park, Geiselbergstr. 69, 14476 Potsdam, Deutschland www.iap.fraunhofer.de Material- und Prozessentwicklung auf der Basis von PLA Der Biopolyester PLA liefert vielversprechende Ansätze zur Lösung dieser Problematik: Er ist biobasiert, bioab- baubar, gut recycelbar und hat im Bereich der Biokunst- stoffe eines der stärksten Marktpotenziale. Aufgrund seiner hohen Steifigkeit ist er prädestiniert für Hartver- packungen wie Einwegbecher, eignet sich aber nicht für die Herstellung flexibler Einwegverpackungen wie Tragetüten, die zu den Hauptverursachern von Einweg-Kunststoffab- fällen gehören. Diesen Konflikt hat Dr. Antje Lieske zu- sammen mit ihren Kollegen André Gomoll und Dr. Benjamín Rodríguez am Fraunhofer IAP gelöst. “Wir haben Weichmacher, sogenannte Polyether, direkt in die Poly- merkette eingefügt, um das Material dauerhaft flexibler zu machen. Polyether sind nicht toxisch, kommerziell verfüg- bar und können auch biobasiert hergestellt werden. Bis- lang wurden Weichmacher dem PLA als Additiv bei- gemischt. Jedoch wandern die Weichmacher-Moleküle mit der Zeit aus dem Material heraus, wodurch das PLA wie- der steif und hart wird. Um diese Migration zu verhindern, haben wir den Polyether direkt im Polymer verankert. Dazu haben wir PLA-basierte Blockcopolymere synthetisiert, bei denen das Polyether-Kettensegment an beiden Enden ko- valent mit PLA-Kettensegmenten verknüpft ist”, erläutert Dr. Benjamín Rodríguez. Nachhaltiger, flexibler Kunststoff mit großem Potenzial Das Ergebnis ist ein neuartiges, flexibles PLA-Material, das ohne den Einsatz von migrierenden Weichmachern auskommt und im Gegensatz zu LDPE zu mindestens 80 Prozent biobasiert ist – “wobei perspektivisch auch eine na- hezu 100-prozentige Biobasiertheit möglich ist”, erklärt Extrusion 6/2024 35

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