Extrusion 7-2024

Erste Untersuchungen an wenig stabilisiertem Neuware PP In ersten Untersuchungen an einem wenig stabilisierten Neuware PP wurde für ausgewählte Drehzahlen die Menge an zudosiertem Stabilisator variiert. Mit zunehmendem Sta- bilisatorgehalt verschieben sich die Fließkurven zu höheren Viskositätswerten, was auf einen verringerten prozessbe- dingten Abbau schließen lässt. Offline-Untersuchungen an den entsprechenden Proben ergeben im gleichen Sinne hö- here Molmassen, wodurch die Annahme des verringerten prozessbedingten Abbaus klar bestätigt wird. Im log-log- Plot zeigt sich zwischen der Nullviskosität und der massen- gemittelten Molmasse Mw entsprechend der Theorie ein linearer Zusammenhang. Ab einem bestimmten Additivanteil kommt es zu keiner weiteren Viskositätszunahme. Damit ist für die vorliegen- den Prozessbedingungen die Grenzkonzentration des Sta- bilisators erreicht, oberhalb derer sich keine weitere Verbesserung erzielen lässt. Diese Situation wurde bei den geschilderten Versuchen bei der Verarbeitung mit 100 rpm und einem Stabilisatoranteil von 0.2 Prozent erreicht. Diese Versuche wurden nun auf je ein post-industrial und post-consumer Recycling PP übertragen. Das post-indu- strial PP aus Anfahrmaterial und Angüssen von Spritzguss- prozessen weist noch einen hohen Stabilisatoranteil auf. Somit lassen sich hier mit Stabilisatorzugaben über 0.1 Pro- zent hinaus keine signifikanten Verbesserungen beim Er- halt der Molmasse erzielen – die Fließkurven für die untersuchten Stabilisatorzugaben liegen dementsprechend nahezu übereinander. Bei dem post-consumer PP sind die Antioxidantien in hohem Maße verbraucht, womit eine si- gnifikante Schädigung bei der Verarbeitung verbunden ist, die sich in einer niedrigen Viskosität/Fließkurve bemerkbar macht. Für eine optimierte Stabilisierung und minimierte Schädigung des Rezyklats ist hier eine Zugabe von 0.5 Pro- zent Additiv erforderlich. Die online-rheologischen Messungen erlauben es also, aussagekräftige Rückschlüsse auf die für die jeweilige Alt- kunststoff-Charge sinnvoll hinzuzufügende Menge an An- tioxidantien zu ziehen. Kostengünstig Rezepturen optimieren Die hier vorgestellte Online-Rheologie steht im Techni- kum des Fraunhofer LBF Projektpartnern zur Verfügung. Sie ermöglicht es Verarbeitern, unmittelbar Informationen zur Auswirkung eines Prozess-Stabilisators zu erhalten und damit kostengünstig die Rezeptur zu optimieren. Zusätz- lich spiegeln die Fließkurven der Dehnviskosität die Stabi- lität der Schmelze wider. Im Gegensatz zur Scherviskosität wird die Dehnviskosität auch sehr empfindlich durch den Faseranteil und die Faserverteilung beeinflusst. Da die Schmelzestabilität ein wichtiges Kriterium für die Verwen- dung eines gegebenen Compounds für Blasformverfahren ist, kann die Online-Rheologie den Compoundentwickler auch hierbei unterstützen. Bild 1: Schema des Versuchs- aufbaus mit Doppelschnecken- extruder und Online-Rheometer ► Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF Bartningstraße 47, 64289 Darmstadt, Deutschland www.lbf.fraunhofer.de von Kunststoffcompounds vor dem Hintergrund von Res- sourcenschonung und Wirtschaftlichkeit gezielt ermittelt werden. Hierzu werden bisher Compounds mit unter- schiedlichen Anteilen der Antioxidantien in Form von Kon- zentrationsreihen hergestellt. Die Charakterisierung geschieht offline mittels verschiedener Tests, wie zum Bei- spiel Messung der Volumenfließrate (MVR, DIN 1133-1). Be- lastbare Ergebnisse erhält man somit erst nach dem Compoundierschritt. Handelsübliche Neuware-Typen sind häufig vom Her- steller oder Compoundeur mit den notwendigen Stabilisa- torpaketen gebrauchsfertig ausgerüstet. Bei den Altkunst- stoffen in Wertstoffströmen, die zur Herstellung von Rezy- klaten eingesetzt werden, sind die Stabilisatoren in unter- schiedlichem Maß verbraucht. Somit kommt es bei der Compoundierung des Mahlguts zu Rezyklaten und deren Weiterverarbeitung darauf an, die Stabilisatoren in Antei- len genau passend zu den Kunststofftypen und deren Al- terungszustand zu ergänzen. Das bei der Entwicklung von Neuware-Compounds prak- tizierte Vorgehen erscheint hierfür als zu aufwändig. Ein Ansatz, bei der Rezyklatherstellung einfach „genug“ Stabili- sator hinzuzugeben, ist vor dem Hintergrund einer konse- quenten Kreislaufwirtschaft ungeeignet oder zu kostspie- lig. Weiterhin gibt es für die Verträglichkeit von Stabili- satoren mit dem Polymeren eine Obergrenze. Denn der Kunststoff wird nicht nur ein second, sondern auch ein third, fourth usw. Leben erfahren. Während eines jeden Le- benszyklus‘ verbrauchen sich bestimmungsgemäß die Sta- bilisatoren, wobei deren Folgeprodukte im Kunststoff verbleiben. Umso wichtiger ist es, bei der Rezyklatgewin- nung nur die unbedingt erforderliche Menge an Stabilisa- tor hinzu zudosieren. Online-Charakterisierung bietet neues Potenzial Am Fraunhofer LBF verfolgt man den Ansatz, bereits während der Compoundierung online die Schmelze zu charakterisieren, um sofort Aussagen über die Wirksam- keit der aktuellen Stabilisatorzugabe zu gewinnen. Mit einem Online-Rheometer, das hinter den Schnek- kenspitzen an einen Doppelschneckenextruder ange- flanscht ist (Bild 1), misst man die Fließkurven sowohl der Scher- als auch der Dehnviskosität. Extrusion 7/2024 33 Kunststoff Antioxidantien Zahnrad- pumpe Schmelzestrang Doppelschneckenextruder Online-Rheometer mit Schlitzdüse im Bypass

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