Extrusion 8-2023

56 Recycling – Aus der Forschung Extrusion 8/2023 Recycling-Ansatz für mehrkomponentige Kunststoff- produkte durch thermische Verbundtrennung In den letzten Jahren ist das Recy- cling von Kunststoffen zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit ge- rückt. Die Verschmutzung der Um- welt durch Kunststoffabfälle wird thematisiert, und es werden Forde- rungen nach höheren Recyclingquo- ten erhoben. So wurde beispiels- weise in der Kunststoffstrategie der Europäischen Union (EU) festgelegt, dass alle in der EU in Verkehr gebrachten Kunststoffverpackungen bis 2030 wiederverwendbar oder kosten- effizient recycelbar sein sollen [Eur18-ol]. Diese neuen Anforderungen an die Recyclingfähigkeit stellen für viele Kunststoffprodukte eine Heraus- forderung dar. Bild 1: Aufschmelzbereiche und Peak-Schmelztemperaturen (rot) der untersuchten Polymere (Heizrate 10 K/min) PET PA6 EVOH HDPE PP-Cop. m-LLDPE Haftvermittler und unter Verwendung von Kompatibilisatoren für die Herstel- lung neuer Folien verwendet werden [BAS22-ol]. Ein neuer Re- cyclingansatz zum Recycling von Mehrschichtfolien ist die Verwendung einer Kaschierschicht zwischen einer PET und PE Schicht. Diese spezielle Kaschierschicht kann durch einen Heiß- wäschevorgang entfernt werden, sodass die PET und PE Schich- ten getrennt recycelt werden können [BAS23-ol]. Ein weiterer Ansatz, welcher in Pilotprojekten verfolgt wird, basiert auf dem selektiven Lösen. Dabei wird das Zielpolymer durch Zugabe eines Lösungsmittels in Lösung gebracht und in einem zweiten Schritt ausgefällt [SNK+22]. Trotz dieser bestehenden Ansätze wird der Großteil der Mehrschichtverpackungen aktuell energetisch ver- wertet [SCAR21]. Diese energetische Verwertung steht allerdings im Widerspruch zur Kreislaufwirtschaft, da die Kunststoffabfälle dem Kreislauf entzogen werden und nicht wiederverwendet werden können. Ziel des angestrebten Verfahrens ist es daher, die einzelnen Po- lymere separat durch exakte Temperaturführung auf einem gleichläufigen Doppelschneckenextruder (DSE) aufzuschmelzen und die verbleibenden nicht aufgeschmolzenen Polymere und Komponenten durch Filtration der Schmelze abzutrennen. Der DSE bietet bei diesem Verfahren den Vorteil einer sehr guten thermischen Homogenität und Mischgüte, während die Ver- weilzeitverteilung des Materials schmal ist [Koh20]. In einem mehrstufigen Prozess sollen so mehrere Polymere als sortenrei- nes Endprodukt gewonnen und in die Kreislaufwirtschaft zu- rückgeführt werden. V or allem in der Verpackungsindustrie werden große Men- gen an Kunststofffolien verwendet, die genau auf die spe- zifischen Anforderungen der Produkte zugeschnitten sind. Besonders in der Lebensmittelindustrie bestehen Verpackungs- folien dazu meist aus mehreren Schichten, die jeweils individu- elle Funktionen erfüllen. So werden beispielsweise verschiedene Polymere als Barriereschichten gegen permeierende Fremdme- dien und Aromen eingesetzt, andere erfüllen die Anforderun- gen an mechanische Eigenschaften oder die Bedruckbarkeit [Bun17, Sch22]. Durch die Kombination der Vorteile verschie- dener Polymere in Mehrschichtfolien kann die Haltbarkeit von Lebensmitteln bei geringer Foliendicke kostengünstig verlängert werden [Nen06]. Die Verbindung der einzelnen inkompatiblen Schichten wird durch zusätzliche Schichten aus Haftvermittlern hergestellt. So kann eine mehrschichtige Kunststofffolie aus fünf, sieben oder mehr verschiedenen Schichten und Polymeren bestehen [Sof15]. Die Herausforderung beim mechanischen Re- cycling solcher Mehrschichtfolien ist die Trennung der einzelnen Schichten voneinander, die derzeit nicht im industriellen Maß- stab umgesetzt wird [KSS18, SEÖ+22]. Die Möglichkeit des Re- cyclings ohne Trennung der verschiedenen Kunststoffe kann durch Aufschmelzen aller Komponenten in Ein- oder Doppel- schneckenextrudern mit anschließender Granulierung realisiert werden. Die Eigenschaften des Verbundes sind jedoch hetero- gen und im Vergleich zu Neuware minderwertig, weshalb eine Wiederverwendung als Folienmaterial in der Regel nicht mög- lich ist [Nie22]. Nur bei geringen Mengen einer zweiten Kom- ponente kann das Verbundmaterial zusammen mit Neuware 100 120 240 160 180 200 220 240 260 Temperatur °[C]

RkJQdWJsaXNoZXIy ODIwMTI=