Extrusion 8-2023

41 Extrusion 8/2023 E in zentrales Hindernis für die Steigerung des Rezyklatanteils in Verpackungsprodukten ist neben den sinkenden mechani- schen und optischen Produkteigenschaften die starke Geruchs- bildung. Hierzu gehört neben der geringen Kundenakzeptanz für übelriechende Verpackungen auch die Belastung für Mitar- beiter während der Verarbeitung der Rezyklate. Der Geruch wird dabei hauptsächlich von den im Recyclingprozess entstehenden Abbauprodukten verschiedener Kontaminanten gebildet, wie zum Beispiel organischen Verunreinigungen oder den in den Druckfarben enthaltenen Bindemitteln. Folglich ist die Geruchs- reduktion von LVP-Rezyklaten ein essenzieller Faktor, um die res- sourceneffiziente Kreislaufwirtschaft in der Verpackungsbranche zu realisieren. Verfahrenstechnische Reduktion des Geruchs Das Forschungsvorhaben „Geruchsreduzierung als Schlüssel- technologie für den Einsatz von rezykliertem Post-Consumer Po- lyethylen“ (SmellStop) kombiniert die aktuell möglichen Geruchsreduktionsstrategien mit einer umfassenden Analyse der geruchsaktiven Stoffe. Ausgangsbasis ist die Folienfraktion in Form von Flakes aus PCR-Polyethylen niedriger Dichte (PCR- LDPE), welche den Großteil der Kunststoffverpackungsfolien ausmacht. Entlang der Verarbeitungskette von der Vorbehand- lung der gewaschenen Folienflakes über die Regranulierung bis hin zur Produktion neuwertiger PE-Folie werden flüchtige orga- nische Verbindungen (engl. Volatile Organic Compound (VOC)), welche eine der Hauptursachen der Geruchsbildung darstellen, analysiert und ihre Entfernung aus dem Kunststoff über ver- schiedene Verfahren untersucht. Eine Reduktion der Geruchsbelastung bei der Verarbeitung von Verpackungsfolien kann durch die Optimierung aller im werk- stofflichen Recycling durchgeführten Prozesse (zum Beispiel Wä- sche, Sortierung, Trocknung, Compoundierung und Nachbe- handlung) erreicht werden. So lässt sich bereits im Waschpro- zess eine signifikante Reduktion geruchsaktiver Substanzen er- zielen [RHÜ+ 22]. Für die Trocknung werden in der Regel Konvektionstrockner eingesetzt, welche Granulat mit einem kontinuierlichen Luftstrom erhitzen. So können flüchtige Stoffe nahe der Granulatoberfläche entweichen [GMT93]. Ein alterna- tives Trocknungsverfahren stellt die Infrarotbehandlung dar [Vog22]. Hierbei wird das Material in einem Infrarotdrehrohr unter Erhitzung rotiert. Die eingesetzte Infrarotstrahlung dringt in das Material ein, wodurch eine gleichmäßige Erhitzung des gesamten Granulatkorns erzielt wird. Die Rotation der Trommel sorgt dabei für eine kontinuierliche Granulatumwälzung. Im Zuge des Projekts werden die PCR-LDPE-Flakes vor der Verar- beitung und das Regranulat nach der Compoundierung unter- schiedlichen thermischen Vorbehandlungen unterzogen, welche den Gehalt von VOCs reduzieren sollen. Hier wird unter ande- rem der Effekt des Infrarotdrehrohrs und einer Wasserdampf- vorbehandlung auf die Geruchsreduktion untersucht. Während der Compoundierung und Extrusion ist eine Geruchs- reduzierung über Filtration und Entgasung möglich [MS16]. Ins- besondere die Entgasung von Kunststoffrezyklaten lässt sich unter anderem durch Anpassung der Schneckenkonfiguration, der Drehzahl und des Durchsatzes optimieren [Gre96]. Darüber hinaus können mit Doppelschnecken- und Planetwalzenextru- dern deutlich höhere Oberflächenerneuerungsraten erreicht werden, was die Entgasungseffizienz erhöht [KBR19]. Durch den Einsatz geeigneter Schneckenelemente lässt sich eine Teilfüllung des Extruders im Entgasungsbereichs realisieren. Hieraus ergibt sich eine Vergrößerung der Grenzfläche zwischen Schmelze und Vakuum und somit eine gesteigerte Entgasungsleistung [Lim13, Koh16]. Die Partialdrücke flüchtiger Verbindungen lassen sich durch die Zugabe von Schleppmitteln verringern. Schleppmittel sind Fluide (zum Beispiel Wasser, Stickstoff oder Kohlenstoffdi- oxid), welche durch eine katalytische Wirkung den Stofftrans- port im Granulat gelöster Stoffe beschleunigen [HJKP14, KBR19, MS16]. Durch ein Aufschäumen der Schmelze können Schlepp- mittel zusätzlich die Entgasungsoberfläche erhöhen [Gre96]. Im Projekt werden verschiedene mehrstufige, modulare Entga- sungsstrategien unter Variation der Entgasungsparameter, wie der Anzahl und Position der Entgasungsdöme, des Vakuum- drucks und dem Einsatz von Schleppmitteln, untersucht. Das Bild zeigt ein Beispiel eines Doppelschneckenextruders mit Entga- sungsaufbau. Zusätzlich wird neben der Geruchsminimierung in der Regranu- lierung der Folienflakes die Verarbeitung der hergestellten Gra- nulate betrachtet. Hier wird in der Blas- und Flachfolien- herstellung eine Reduktion des Geruchs durch eine gezielte An- passung der Prozessparameter, wie zum Beispiel der Verarbei- tungstemperatur und des Durchsatzes, untersucht. Messung und Analyse des Geruchs Für die Entwicklung maßgeschneiderter Geruchsreduzierungs- strategien ist die Kenntnis der im Rezyklat enthaltenen Störstoffe sowie ein grundlegendes Verständnis ihrer Abbauprozesse zu geruchsaktiven Verbindungen essenziell. Über eine umfassende Analyse der in einer Rezyklatfraktion vor und nach den jeweili- gen Verarbeitungsschritten enthaltenen VOCs können Degra- dationsreaktionen nachverfolgt und die geruchsreduzierenden Prozesse optimiert werden. Dazu werden in einem ersten Schritt neuwertige Folien gezielt mit verschiedenen Farbsystemen auf Basis unterschiedlicher Bindemittel und weiteren organischen Kontaminanten kontaminiert, um Rückschlüsse auf die in Post- Consumer-Rezyklaten enthaltenen geruchsbildenden Stoffe zie- hen zu können. Die Geruchsbelastung an großindustriellen Verarbeitungsanla- gen wird im Zuge des Projekts kontinuierlich erfasst. Es kommen neuartige Gassensorsysteme zum Einsatz, welche die relative Geruchsqualität bestimmen. Diese Systeme werden basierend auf den mittels GC-MS-Messungen identifizierten VOCs opti- miert und in Anlehnung an humansensorische Panels kalibriert, um das tatsächliche Geruchsempfinden während der Verarbei- tung reduzieren zu können. Die erarbeitenden Prozesse und An- passungen, ihre Effektivität und Effizienz werden in einer Handlungsempfehlung zusammengetragen. Des Weiteren wird eine Verbesserungshypothese aufgestellt, welche die Erkennt- nisse aus Anlagen- und Messtechnik kombiniert. Dieses Vorge- hen führt zu einem transparenten Wissenstransfer in die Industrie. Der beschriebene Ablauf wird innerhalb des Projekts zweimal durchgeführt. Dier zweite Durchlauf erlaubt die Umsetzung der ersten und somit die Erstellung einer zweiten, angepassten Ver- besserungshypothese. Der iterative Aufbau ermöglicht eine kon- tinuierliche Verbesserung der geruchsreduzierenden Maß- nahmen, auch über das Projekt hinaus. Darüber hinaus lassen sich die einzelnen Maßnahmen durch die aus der Verbesse- rungshypothese resultierenden Flexibilität gezielt optimieren und für andere Materialströme adaptieren.

RkJQdWJsaXNoZXIy ODIwMTI=