Extrusion 8-2023

44 Recycling – Aus der Forschung Extrusion 8/2023 Belastung minimiert werden. Auch die Anwesenheit von Wasser und Sauerstoff kann Degradationsreaktionen auslösen. Insbe- sondere PA6 neigt zu hydrolytischem Abbau, weshalb vor jedem Aufbereitungsschritt Feuchtigkeit entzogen werden muss [LCS02]. Nach [BMS+92] lassen sich durch mehrstufige Filtration der Schmelze mittels Siebwechselfilter und regelmäßigem Sieb- wechsel bis zu 90 Gew.-% der Störanteile aus einer Kunststoff- schmelze entfernen. Jedoch können Latex-Gelpartikel Schmelzefilter verstopfen und sich unter hoher mechanischer Belastung in kleinere Partikel zerteilen [SM17]. Entwicklung kreislauffähiger textiler Bodenbeläge Ein Verfahren zur latexfreien Produktion textiler Bodenbeläge ist das bisher vor allem in der Automobilindustrie verwendete Ther- mobondingverfahren. Beim Thermobonding werden aus- schließlich Thermoplasten verwendet, wodurch der Bodenbelag für das werkstoffliche Recycling zur Verfügung steht. Wie in Bild 2 dargestellt, werden die Polnoppen des getufteten Boden- belags mit einem beheizten Kalander angeschmolzen und an- schließend mit einer Beschichtungsfolie in Kontakt gebracht. Im angeschmolzenen Zustand werden Polnoppen, Trägerschicht und Beschichtungsfolie stoffschlüssig miteinander verbunden. Bei der Applikation der Folie muss der Einschluss von Luftblasen oder Falten verhindert werden. Auch müssen ideale Walzen- temperaturen, Verweilzeiten und Anpressdrücke für das Ther- mobonding definiert werden. Über mehrstufige Filtration der Schmelze mittels Siebwechselfil- ter und regelmäßigem Siebwechsel soll das Rezyklat weitestge- hend aufgereinigt und anschließend zu einer defektfreien Flachfolie extrudiert werden. Diese hochwertige rPA6-Flachfolie wird in einem Thermobondingverfahren als Rückenbeschichtung für neue textile Bodenbeläge verwendet und ersetzt so den bis- her verwendeten Latex. Es entstehen textile Bodenbeläge mit höchstmöglichem PA6-Anteil, welche kreislauffähig und von hohem Interesse für werkstoffliches Recycling sind [URL23e]. Die rPA6-Flachfolie kann über die Einstellung der Dicke, der Viskosi- tät und des Schmelzverhaltens für den Thermobonding-Prozess optimiert werden [FGB15]. Ziel ist es, den bestmöglichen Mate- rialverbund bei minimaler Schädigung der Polseite zu erreichen. Dieses Forschungsvorhaben leistet mit der Untersuchung der Re- cyclingmöglichkeiten konventioneller textiler Bodenbeläge sowie der Herstellung kreislauffähiger rPA-Bodenbeläge einen Beitrag zur Realisierung geschlossener Stoffkreisläufe. Langfristig ist die Adaption des zu entwickelnden Konzepts auch auf andere tex- tile Bodenbeläge aus beispielsweise PA6.6, PP und Polyester an- gestrebt. Zudem eignen sich die resultierenden textilen Bodenbeläge aus rPA neben dem werkstofflichen Recycling auch für das chemi- sche Recycling in Form einer Depolymerisation. Danksagung Das IGF-Vorhaben 22910 N der Forschungsvereinigung Textil wird über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz auf- grund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Allen Institutionen gilt unser Dank. Die Autoren Prof. Dr. rer. nat. Rainer Dahlmann ist außerplanmäßiger Professor am Lehrstuhl für Kunststoffverarbeitung und wissenschaftlicher Direktor Kreislaufwirtschaft am Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) an der RWTH Aachen Steven Zimmer, M. Sc., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am IKV im Bereich der Nachhaltigen Werkstoffe Lisa Leuchtenberger, M. Sc., ist Leiterin der Abteilung Extrusion und Kautschuktechnologie am IKV Dirk Hanuschik, Dipl.-Ing., ist Leiter des Technologietransfers und der Technischen Innovation am TFI-Institut für Bodensysteme an der RWTH Aachen Jennifer Kennes, M. Sc., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich der Maschinentechnik und Digitalisierung am TFI Literatur [BDGI01] B RAUN , D.; D ISSELHOFF , R.; G UCKEL , C.; I LLING , G.: Roh- stoffliches Recycling von glasfaserverstärktem Polyamid-6. Chemie Ingenieur Technik 73 (2001) 3, S. 183-190 [BMS+92] B OO , H.K.; M IKOFLVY , B.K.; S UMMERS , J.W.; S ELL , W.A.; M ITTENDORF , D.H.: Melt filtration of recycled PVC. Journal of Vinyl Technology 14 (1992) 3, S. 140-144 [CRHR21] C LAUSS , B.; R ICHTER , S.; H ENSEL , T.; R USSIG , D.: Eigen- schaften und Anwendungsmöglichkeiten von Recycling- Polyamiden. TECHNOMER, Chemnitz, unveröffentlichte Masterarbeit, 2021 [FGB15] F ORMISANO , B.; G ÖTTERMANN , S.; B ONTEN , C.: Recycling von Gusspolyamid-Abfällen auf einem Doppelschneckenextruder. 24. Stuttgarter Kunststoffkolloquium, Stuttgart, 2015 Bild 2: Rückenansicht eines getufteten textilen Bodenbelags vor dem Thermobonding mit freiliegenden Polnoppen (A). Nach dem Thermobonding sind die Polnoppen und die Trägerschicht stoffschlüssig mit der Kaschierschicht verschmolzen. Der Thermobonding-Prozess findet auf einer beheizten Walze statt, auf der die Kaschierfolie, Trägerschicht und Polnoppen angeschmolzen werden (C).

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