Extrusion 8-2023

S tärke ist ein natürlich vorkommendes, teilkristallines Polymer, dessen Moleküle zu 25 bis 30 Prozent aus der linear-kettigen Amylose und zu 70 bis 75 Prozent aus den stark verzweigten Amylopektin-Ketten bestehen [VBG+17]. Aufgrund der konfor- mativen Immobilität der Polymerkette besitzt Stärke eine schlechte Verformbarkeit und Verarbeitbarkeit unter Umge- bungsbedingungen [CR98]. Neben einer ausgeprägten Hydro- philie und der geringen Wasserresistenz besitzt Stärke eine hohe Glasübergangstemperatur (Tg ≈ 80 °C) [ES09, GOI+14]. Daraus ergibt sich für die meisten Anwendungen ein unzureichendes mechanisches Eigenschaftsprofil, da Stärke im Vergleich zu kon- ventionellen, fossilbasierten Kunststoffen wie PP oder PE-LD eine hohe Sprödigkeit mit gleichzeitig hohem E-Modul (E-Modul na- tiver Kartoffelstärke ≈ 2,7 GPa) aufweist [SH92, VBG+17]. Um aus Stärke einen verarbeitbaren Kunststoff zu gewinnen, ist eine geeignete Materialrezeptur zu erarbeiten, die anschließend im Extruder zu thermoplastischer Stärke (TPS) aufbereitet wird. Gemeinsam forschen das Institut für Kunststoffverarbeitung in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen (IKV), das Fraun- hofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UM- SICHT mit der Loick Biowertstoff GmbH, der SHS plus GmbH sowie der Gefinex GmbH an der Entwicklung und Verarbeitung eines neuartigen, geschäumten Stärkewerkstoffs. Das Ziel liegt darin, die bestehenden Viskositäts- und Verarbeitungsein- schränkungen der Stärke unter Einsatz geeigneter natürlicher Weichmacher und Blendpartner zu reduzieren. Im physikalischen Schaumextrusionsverfahren soll die Verarbeitung der Blends zu flexiblen Schaumfolien erfolgen, um die Herstellbarkeit flächi- ger und feinzelliger Produkte mit geringer Dichte zu untersu- chen. Zur Realisierung flexibler Stärkeschaumfolien ist somit sowohl eine Rezepturentwicklung als auch eine Verfahrensopti- mierung erforderlich. Von natürlicher Stärke zu geschäumter, thermoplastischer Stärke (TPS) Mit einer Gesamtproduktionsmenge von 2,22 Millionen Tonnen im Jahr 2022 machen Biokunststoffe zwar lediglich einen gerin- gen Teil der weltweiten Kunststoffproduktion aus. Allerdings nehmen stärkebasierte Thermoplaste mit einem Anteil von 17,9 Prozent bereits einen Großteil der globalen Biokunststoffpro- duktion ein (siehe Bild 1 ) [NN23]. Neben der natürlichen Ver- fügbarkeit sowie der natürlichen Bioabbaubarkeit bietet sich Stärke aufgrund des niedrigen Rohstoffpreises als eine vielver- sprechende Alternative zu fossilbasierten Kunststoffen an [ACM04]. TPS entsteht durch die Thermoplastifizierung von Stärke mittels thermomechanischer Destrukturierung der Stärkekörner unter Zugabe von Weichmachern wie Wasser oder Glycerin im Extru- der [VBG+17]. Die thermoplastifizierte Stärke zeichnet sich eben- falls durch einen spröden und hydrophilen Charakter aus und ist somit in reiner Form für einen breiten Anwendungsbereich nicht einsetzbar [MPSF02]. Eine Möglichkeit, einen TPS-Werk- stoff mit verbesserten Eigenschaften herzustellen, ist daher das Blenden mit weiteren Polymeren [VBG+17]. Die ausgeprägte Hydrophilie erlaubt das Aufschäumen mittels Wasser als Treibmittel im Direktexpansionsverfahren. Das bereits im Ausgangsmaterial enthaltene Wasser verdampft dabei im hei- ßen Prozess und initiiert nach dem Austritt aus dem Extruder den Aufschäumvorgang. Allerdings entstehen grobe, offenzel- lige Schaumstrukturen, die auch auf die geringen Schmelze- dehneigenschaften von TPS zurückzuführen sind [Mit12]. Aus diesen Gründen wird ein zweistufiger Prozess bevorzugt, bei dem im ersten Schritt die Plastifizierung und das Blenden durch- geführt wird, während in einem separaten, zweiten Schritt das Aufschäumen erfolgt [VBG+17]. Das Blenden der Stärke mit einem weiteren Polymer wie beispielsweise Polybutylenadipat- terephthalat (PBAT) kann neben einer Verbesserung der Was- serbeständigkeit auch die Schäumbarkeit positiv beeinflussen, da die unzureichenden Schmelzedehneigenschaften des Com- pounds angehoben werden [MHFL07, VBG+17]. Da PBAT eine gute Extrudierbarkeit besitzt sowie zudem analog zu Stärke bio- abbaubar ist, erfolgt die erste Untersuchung mit PBAT als Blend- partner [ES09, VBG+17]. Die Compoundierung des getesteten Stärkeblends, bestehend aus den Hauptkomponenten thermo- 46 Schaumextrusion – Aus der Forschung Extrusion 8/2023 1 Gew.-% Treibmittelmasterbatch, T Werkzeug = 130 °C 2 Gew.-% Treibmittelmasterbatch, T Werkzeug = 145 °C 5 Gew.-% Treibmittelmasterbatch, T Werkzeug = 130 °C 1 mm 1 mm Treibmittelanteil 1 mm Bild 2: Schaumstruktur der Stärkeschaumfolien

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